Matthias Müller

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Der Erdbeer-Produzent mit 100’000 Helferinnen und Helfer

In Steinebrunn im Oberthurgau, kurz vor der Grenze zum Kanton St. Gallen, fallen lange weisse Folientunnels und Gewächshäuser auf. An der Hauptstrasse steht eine Scheune und unter dem Vordach derselben verlocken frische, glänzende Erdbeeren zum Kauf. Hier gibt es „Sunnehof Beeri“ und im Hofladen gibt es mehr davon.

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Erdbeerduft hängt in der Luft

Dort hängt ein geradezu betörender Erdbeer-Geruch in Luft. Beeren und jetzt im Frühling besonders die Erdbeeren sind die Matthias Müllers Welt. „Die Erdbeer-Sorte Darselect verströmt ein kräftiges Erdbeeraroma, die Sorte hat den typischen Glanz und sie hat jetzt den optimalen Zuckergehalt erreicht“, erklärt der 40-jährige Unternehmer. Das sehe er daran, dass sich die Kelchblätter abheben, erklärt er an einer Erdbeere. Bevor er den Sunnebeeri-Hof von seinem Vater übernahm, lernte er das Handwerk des Verkäufers bei einem grossen Detailhändler und machte Karriere bis zum Filialleiter. „Das Auge der Käufer*in isst mit“ hat er gelernt und „die Käufer*in muss eine Wiederholungstäter*in werden“. Seit 2010 baut er auf 15 Hektaren seine Sunnehof-Beeri an.

100’000 winzig kleine Nützlinge

Alle Sunnehof Beeri werden nach den Vorschriften von SwissGAP angebaut, das heisst es werden erstklassige Beeren produziert, aber das bringt viel Aufwand mit sich. Jetzt zu Erntebeginn arbeiten 25 Angestellte auf dem Hof, in der Erntespitze im Hochsommer sind es maximal 130 Arbeitskräfte. „Zusätzlich dirigiere ich einige 100’000 kleine Helferinnen und Helfer welche mir die Schädlinge dezimieren“, erklärt er im ungeheizten Gewächshaus zwischen den Erdbeeren, die auf Griffhöhe 1 Meter 30 Zentimeter über dem Boden hangen. „Die Raubmilben fressen die Erdbeer-Milben und die Schlupfwespen legen Eier in die Blattläuse“ erklärt er. Er setze in erster Linie Nützlinge gegen Schädlinge ein – und damit habe er die Schädlinge im Griff. Zudem behandle er seine Beeren auch mit biologischen Mitteln wie zum Beispiel Kaliumbikarbonat. „Den gefürchteten Pilz Botrytis kann ich im Gewächshaus mit einer optimalen Durchlüftung verhindern“, weiss der erfahrene Beeren-Produzent.

Pflanzenschutzmittel für den Notfall nötig

Im Hochsommer, wenn zu feuchten Nächten über den Tag hohe Temperaturen hinzukämen, könne sich der Mehltau-Pilz wie eine Explosion verbreiten. „In solchen Fällen muss ich synthetische und spezifisch gegen Mehltau wirkende Pflanzenschutzmittel einsetzen“, erklärt der Beerenspezialist Matthias Müller. Diese wirkten gezielt gegen den Mehltau auf den Erdbeerpflanzen. „Gegen Mehltau könnte ich auch im Biolandbau erlaubte Schwefelpräparate einsetzen, aber diese dezimieren auf einen Schlag auch die Nützlinge im Gewächshaus“ weiss der erfahrene Beerenanbauer. In solchen Fällen riskiert er ohne die spezifisch wirkenden synthetischen Pflanzenschutzmittel einen Ertragsausfall von 40 Prozent „und das wäre Food Waste auf dem Feld“ betont Müller. Zudem sei der Einsatz von Pflanzenschutzmittel – auch von Bio-konformen – gesetzlich stark reglementiert. Sollten die Pflanzenschutzmittel falsch oder unter Missachtung der Vorschriften angewendet werden, riskiere er einen Lieferstopp bei seinen Abnehmern, denn diese untersuchen Früchte auf Rückstände. „Und das wäre ein Riesenverlust, denn in der Hochsaison verkaufe ich in Spitzenzeiten bis zu 8’000 Kilo Beeren pro Tag“, betont er.

Beeren werden geschützt und umhegt

In den elf Jahren, seit er als Beerenpflanzer auf dem Sunnehof Beeri-Hof produziert, habe sich die Anwendung von Pflanzenschutzmittel  reduziert. Matthias Müller zählt die Gründe auf:

  • Die Anbautechnik der Beerenkulturen habe sich stetig verbessert.
  • Auf dem Sunnehof Beeri-Hof in den letzten Jahren sehr viele synthetische Pflanzenschutzmittel durch biologische Pflanzenschutzmittel , präventive wirkende Massnahmen und durch Nützlinge ersetzt.
  • Dank dem Witterungsschutz mit Folientunnels und Gewächshäusern habe man den Pflanzenschutzmittel -Einsatz entscheidend reduzieren können.
  • Hagelnetze schützen die Beeren vor Hagel. Schattennetze schützen die Beeren vor Sonnenbrand. Beeren mit Sonnenbrand sind aber unverkäuflich.

Nur schon ein starker Regen verursache auf empfindlichen Erdbeeren winzige Verletzungen, welche die Eintrittspforte für Krankheiten seien, erklärt Matthias Müller. Er pflanzt neben den Erdbeeren auch Himbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren, Johannisbeeren, Stachelbeeren, Cassis und seit neuestem Maibeeren an. Letztere ist eine robuste Beere und gedeiht ohne Witterungsschutz und übersteht in der Blüte Minustemperaturen von bis zu acht Grad Celsius. Matthias Müller ist überzeugt, dass er weiterhin synthetische Pflanzenschutzmittel reduzieren kann, dennoch ist er auf spezifisch wirkende Pflanzenschutzmittel angewiesen um in Notfällen gezielt reagieren zu können. Je nach Wettereinfluss und neu eingeschleppten Schädlingen sei er ohne diese Wirkstoffe hoffnungslos ausgesetzt. Eine Reduktion ist möglich, doch ein Verbot sei nicht zielführend, betont der Beerenbauer.

Wichtige Begriffe kurz erklärt

SwissGAP

SwissGAP ist ein Verein mit dem Ziel, den GLOBALG.A.P.-Standard in der Schweiz unter Berücksichtigung der speziellen Schweizer Strukturen einzuführen und umzusetzen. Für Früchte, Gemüse und Kartoffeln (FGK) sowie für die Hortikultur wurden basierend auf den bestehenden Anforderungen der integrierten Produktion bereits Standards erarbeitet. Vereinsmitglieder sind die Branchenverbände swisscofel, VSGP, SOV, swisspatat und JardinSuisse, daneben noch IP SUISSE und Bio Suisse.

Hors-Sol

Die Hors-sol-Produktion (frz. für bodenfreie Produktion) ist ein Anbauverfahren in Gewächshäusern ohne Verwendung von Erde. Die Kulturen werden dabei in Substraten mit viel Kokosfasern, Rindenhumus und wenig Torf gepflanzt. Die Substrate geben den Pflanzenwurzeln Halt und speichern Wasser. Die Nährstoffe werden künstlich über Schläuche zugeführt. Die Pflanzen wachsen in Känneln, die bei Erdbeeren auf rund anderthalb Meter Höhe angebracht sind und folglich wachsen die Erdbeeren in Griffhöhe. Das ist viel angenehmer für die Pflückerinnen als sich auf dem Feld zu den Erdbeeren zu pflücken.

Raubmilben

Nützlinge gegen Schädlinge einzusetzen ist eine biologische Art der Schädlingsbekämpfung. Die Erdbeermilbe ist mit blossem Auge kaum sichtbar. Oft wird der Befall erst entdeckt, wenn sich die Herzblätter kräuseln und bräunlich verfärben. Insbesondere in mehrjährigen Kulturen und im Gewächshaus kann es zu Schäden kommen. Die Raubmilbe kann in grösseren Mengen zur Regulierung oder ergänzend zu Pflanzenschutzmitteln eingesetzt werden. Sie wird in kleinen Kartonblättern zwischen die Erdbeeren eingehängt.

Schlupfwespen

Zahlreiche Blattlausarten wie Kartoffel-, Gurken- und Pfirsichblattläuse befallen Erdbeeren. Vorbeugend werden Schlupfwespen eingesetzt. Schlupfwespen können regelmässig in kleinen runden Kartonröhren ausgebracht werden. Da sie sehr wirtsspezifisch sind und oft mehrere Blattlausarten gleichzeitig auftreten, sollten sie im Mix eingesetzt werden. Die räuberische Gallmücke kann durch wiederholte Einsätze angesiedelt werden. Bei Auftreten erster Blattläuse müssen umgehend erhöhte Mengen von Schlupfwespen oder Larven der Florfliege eingesetzt werden. Florfliegenlarven eignen sich besonders für die Herdbehandlung koloniebildender Blattläuse. Schlupfwespen hingegen verfügen über ein gutes Suchverhalten und spüren einzelne Blattläuse auf. Eine Kombination dieser Nützlinge ist optimal.

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